Nicht zuletzt die aktuellen Entwicklungen haben gezeigt, welchen Beitrag digitale Technologien in vielerlei Hinsicht leisten können. Eine der zentralen Fragen der Zukunft wird sein, wie der Wirtschaftsstandort Österreich durch die digitale Transformation nachhaltiger und resilienter gestaltet werden kann – genau dieses Thema steht auf der Agenda des sechsten „Summit Industrie 4.0“. Die Jahreskonferenz der Plattform Industrie 4.0 Österreich wird heuer in Kooperation mit der Wirtschaftsagentur Wien, der ecoplus digital GmbH und der Wirtschaftsagentur Burgenland veranstaltet, als internationales Partnerland sind die Niederlande geladen. Bei der Pressekonferenz anlässlich des Summit Industrie 4.0 diskutierte ein prominent besetztes Panel Projekte und Ideen im Zeichen der Nachhaltigkeit und Digitalisierung: Einmal mehr zeigte sich, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Regionen, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Interessensvertretungen ist, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen für Arbeitgeber:innen und -nehmer:innen positiv zu gestalten.
Nachhaltigkeit ist in aller Munde, aus Sicht der Plattform Industrie 4.0 Österreich sind mehrere Dimensionen ausschlaggebend, um die digitale Wende für Österreichs Industrie und deren Beschäftigte langfristig erfolgreich zu nutzen und den Standort wettbewerbsfähig zu halten. Ein großer Aspekt ist vor allem die Energie- und Ressourceneffizienz. Weiters geht es darum, über Qualifizierung und Weiterbildung nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Gedeihliche Rahmenbedingungen, in denen Forschung und neue Ideen Platz finden und entsprechend gefördert werden, sind unabdingbar, um einen resilienten Produktionsstandort zu sichern.
„Gerade in Zeiten sich verdichtender Herausforderungen – von der Versorgungssicherheit, den Auswirkungen der Gesundheitskrise, über die geopolitischen Umbrüche bis zur Klimakrise und die digitalen Transformationen des Sektors – müssen wir uns vor Augen halten, wie wichtig eine leistungsfähige Sachgüterindustrie für unser Land ist und wie wichtig es ist, sie für die kommenden Jahre mit den richtigen Innovationen und der besten Technologie zu begleiten. Mehr denn je brauchen wir dafür Plattformen, die uns helfen in einer Rundumsicht qualitätsvolle Dialoge auf Augenhöhe mit allen Betroffenen zu führen“, betont Henriette Spyra, Leiterin der Sektion Innovation & Technologie im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
Niederösterreichischer Begegnungsort für den digitalen Wandel
Das „Haus der Digitalisierung“ ist das Herzstück der niederösterreichischen Digitalisierungsstrategie, das allen offensteht und sich als wichtige Schnittstelle und Begegnungsort für den digitalen Wandel versteht: Damit soll die Transformationsfähigkeit von Unternehmen – vor allem KMU – gesteigert, die Forschung gestärkt und das Bewusstsein für Digitalisierung in der Bevölkerung geschärft werden. Niederschwelliger Zugang zu wissenschaftlichen Einrichtungen für Unternehmen sowie Leit- und Demonstrationsprojekte für alle Themenbereiche stehen im Mittelpunkt. Seit 2019 gibt es das „Haus der Digitalisierung“ als interaktive Plattform, bis 2023 entsteht auf 4.200 Quadratmetern am Campus Tulln Technopol die reale Version.
„Ökologie und Digitalisierung gewinnen weltweit rasant an Bedeutung. In Niederösterreich sind wir davon überzeugt, dass nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaften im Einklang mit der Natur eine wichtige Basis für zukünftiges Wirtschaftswachstum und neue, regionale Arbeitsplätze bildet. Digitalisierung ist dabei ein Schlüsselfaktor, um dem Wandel der Wirtschaft nachhaltigen Schwung zu verleihen. Niederösterreichs Leuchtturmprojekt ist dabei das ‚Haus der Digitalisierung‘, das KMU auf ihren Weg in die digitale Zukunft begleitet und die Bevölkerung mit innovativen Digitalisierungsprojekten begeistern will“, führt der niederösterreichische Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger aus.
Burgenland baut Brücken zwischen Industrie und Forschung
Mit dem „Informatikum“ wurde erst Ende April 2022 am Campus Eisenstadt der FH Burgenland eine neue Forschungseinrichtung für Digitalisierung, Sicherheit und erneuerbare Energien eröffnet. Dort sollen Synergien und Kompetenzen genutzt werden, um im Burgenland einen Digitalisierungs-Hub und Brücken zwischen Industrie und Forschung zu schaffen. 30 Mitarbeiter:innen sollen im neuen Labor- und Forschungsgebäude essenzielle Zukunftsfragen rund um Digitalisierung und erneuerbare Energie behandeln und sich unter anderem mit Cloud Computing, Internet der Dinge, Industrie 4.0 und Energiesystemen auseinandersetzen.
„Durch Industrie 4.0 können sich neue Türen für Arbeitskräfte öffnen, die wir noch nicht kennen. Berufe werden technischer und flexibler. Auf diese Entwicklung müssen auch unsere Ausbildungsinstitutionen eingehen. Im Zukunftsplan Burgenland sind die Forschungsaktivitäten in den Themenfeldern Digitalisierung, Sicherheit und erneuerbare Energien fest verankert. Forscherinnen und Forscher an der FH und der Forschung Burgenland arbeiten höchst engagiert an der Lösung essenzieller Zukunftsfragen. Das ‚Informatikum‘ wird nicht nur Arbeitsbedingungen, sondern auch die Interaktion mit anderen industriellen und akademischen Partnern verbessern. Durch die Schaffung neuer Synergien wird der Forschungsstandort Eisenstadt gestärkt und in die internationale Sichtbarkeit der Forschung Burgenland erhöht“, erklärt der burgenländische Wirtschaftslandesrat Leonhard Schneemann.
Technologische Vielfalt aus Wien
Wien verfügt über eine Vielzahl an innovativen Unternehmen, die die Chancen der Digitalisierung begriffen und in ihren Geschäftsmodellen implementiert haben: Darunter beispielsweise das Biomedizin-Start-up Lithoz, das sich mit dem 3D-Druck von Knochen zum Weltmarktführer hochgearbeitet hat. s::can, ebenfalls Weltmarktführer, hat Spektronomie-Sonden entwickelt, die in Echtzeit und ohne Reagenzien die Wasserqualität bestimmen können. Blue Danube Robotics hat mit AIRSKIN eine robuste und druckempfindliche Haut für Industrieroboter auf den Markt gebracht. Am Vienna BioCenter hat Scaletred seinen Sitz, das Softwarelösungen und Dienstleistungen für die Dermatologie und Telemedizin entwickelt.
„Die Geschwindigkeit, mit der sich Technologien wandeln, ist für die Wirtschaft wie für die Menschen eine große Herausforderung, gleichzeitig aber auch eine Riesenchance. Digitalisierung soll das Leben der Menschen langfristig verbessern – und das ist den Wiener Unternehmen auch dank der Arbeit der Plattform Industrie 4.0 gelungen“, sagt Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien. „In Wien floriert ein zukunftsorientierter Produktionssektor, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Hier werden Knochen 3D gedruckt, Roboter mit einer fühlenden Haut produziert, Scanner-Technologien eingesetzt, um die Wasserqualität zu sichern oder Hautkrankheiten früher zu diagnostizieren.“
Beschäftigte von Anfang an miteinbeziehen
„Änderungen im Arbeitsumfeld lösen schnell Verunsicherung aus, umso wichtiger ist bei Digitalisierungsprozessen, die Beschäftigten von Anfang an miteinzubeziehen“, erläutert Peter Schleinbach, Bundessekretär der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) aus Arbeitnehmersicht. Das bestätigt auch eine Studie, bei der die PRO-GE über 250 Betriebsrät:innen zum Thema befragt hat. Ergebnis: Je stärker Betriebsrat und Beschäftigte eingebunden sind, umso erfolgreicher wird Digitalisierung im Betrieb umgesetzt. „Entscheidend ist dabei, gerade auch jene mitzunehmen, die sich bisher wenig oder gar nicht mit digitalen Systemen und Geräten beschäftigt haben“, erinnert Schleinbach daran, dass trotz fast flächendeckender Verbreitung von Smartphones nicht alle Menschen technik-affin, geschweige denn Digital Natives, sind.
Der Fokus der Qualifizierungsmaßnahmen darf daher nicht allein auf die Primärausbildung gerichtet sein, sondern verstärkt auf regelmäßige Updates für Wissen und Kompetenz der bereits voll im Berufsleben Stehenden. Gleichzeitig sollte nicht übersehen werden, dass Digitalisierung die Arbeitswelt nicht ausschließlich komplexer machen muss, sondern auch umgekehrt zur Vereinfachung von Tätigkeiten eingesetzt werden kann. „Wir sollten diese Möglichkeit nicht ungenutzt lassen, um Menschen eine Chance zum (Wieder-)Einstieg in das Berufsleben zu eröffnen, die es derzeit wegen fehlender Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt schwer haben“, so der PRO-GE Bundessekretär.
Schlüsseltechnologien und Daten für die grüne Transformation
„Der Einsatz von Schlüsseltechnologien bietet enorme Hebel für die digitale und grüne Transformation und ist entscheidend für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und Europas, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen“, so Stefan Ehrlich-Adám, Geschäftsführender Gesellschafter EVVA Sicherheitstechnologie GmbH und Präsidiumsmitglied der Industriellenvereinigung Wien.
Die digitale Durchdringung industrieller Prozesse ist in vollem Gange. Es muss daher das Tempo erhöht werden, um von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten digitaler Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz oder Cybersecurity zu profitieren. Entscheidende Bedeutung kommt auch der Ressource Daten zu. Die Entwicklung und Nutzung von smarten Lösungen und digitalen Geschäftsmodellen ist untrennbar mit der Verfügbarkeit großer Datenmengen verbunden. Der sichere Austausch von Daten ist deshalb ein entscheidender Hebel, um diese Wertschöpfungspotenziale zu heben. Es braucht ein innovationsförderndes Umfeld, strategische Vernetzung, zukunftsfitte Infrastrukturen und ausreichend verfügbare, hochqualifizierte Fachkräfte, damit sich Österreich als Digitalisierungsvorreiter und resilienter Produktionsstandort etablieren kann.
Gleichzeitig ist sich die Industrie auch ihrer Rolle im Bereich der grünen Transformation bewusst. „Die Industrie setzt alles daran, um ihren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz zu leisten und damit unsere Umwelt zu schonen. Dafür braucht sie aber die notwendige Unterstützung durch die Politik“, führt Ehrlich-Adám weiter aus.
Treiber einer nachhaltigen Digitalisierung
Der beschleunigte technologische Wandel der letzten Jahre hat die Plattform Industrie 4.0 Österreich weiter beflügelt: In der Zwischenzeit zählt die unabhängige Vertretung der digitalen Produktionslandschaft in Österreich rund 70 Mitglieder – darunter die wichtigsten Institutionen und Unternehmen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite – und treibt die Digitalisierung in der Alpenrepublik nachhaltig voran. Rund 700 Beteiligte erarbeiten dabei in neun Expert:innengruppen Handlungsvorschläge zu zentralen Themen – darunter auch die im Vorjahr geschaffene Gruppe Ressourcen- und Energieeffizienz.
„Bereits heute sind digitale Tools und Anwendungen aus der Produktion nicht wegzudenken und die Durchdringung damit wird weiter voranschreiten. Die Plattform Industrie 4.0 Österreich kann mit einem Baum verglichen werden: Wir konnten uns in den vergangenen sieben Jahren fest in Österreich verwurzeln. Wir haben in dieser Zeit ein tragfähiges Astwerk an Expert:innen aus verschiedenen Bereichen aufgebaut, die wichtige Industriethemen vorantreiben. Eine ganz zentrale Stellung wird dabei Nachhaltigkeit einnehmen – in Bezug auf Ressourcen, Arbeitsplätze und Standortpolitik“, führt Plattform Industrie 4.0 Österreich-Geschäftsführer Roland Sommer aus. „Mit Nachdruck werden wir die wesentlichen Themen unserer Zeit mit neu initiierten Projekten weiterverfolgen, damit die heimischen Betriebe im internationalen Wettbewerb am Ball bleiben.“
So konnten in den letzten beiden Jahren wichtige Initiativen und Projekte auf Schiene gebracht werden, darunter folgende: Bei Digital Pioneers können junge Frauen in Theorie und Praxis in technische Berufe hineinschnuppern. Digitale Industrie Verständlich Erklärt (DIVE) soll KMUs Industrie 4.0 näherbringen. Im Zuge von AI for Good wurde ein Leitfaden erstellt, der Erfolgsfaktoren bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz zusammenfasst. Im länderübergreifenden Projekt CEUP2030 wurde der Grundstein für die zukünftige Zusammenarbeit hinsichtlich Schlüsseltechnologien im CEE-Raum gelegt.
Highlights des 6. Summit Industrie 4.0
Beim sechsten Summit Industrie 4.0 im Wiener Rathaus – der von Dezember 2021 pandemiebedingt auf 30. Mai 2022 verschoben werden musste – konnten sich erstmals seit zwei Jahren wieder alle Digital-Interessierten vor Ort über aktuelle Entwicklungen informieren und mit Gleichgesinnten austauschen. Dabei wurde unter dem Motto digital:regional eine breite Themenpalette abgedeckt: Neben Keynotes zu Künstlicher Intelligenz von Univ.-Prof. Heiko Paulheim (Universität Mannheim) und Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft von Karin Huber-Heim (Circular Economy Forum Austria) wurden auch Best Practices aus dem diesjährigen Partnerland Niederlande und aus Österreich geboten.