In der von der AK Wien in Kooperation mit der Plattform Industrie 4.0 veranstalteten zweiteiligen Session wurde das Thema der Digitalisierung in der Industrie – aus unterschiedlicher Perspektive (Management, Betriebsrat, Wissenschaft) – dargestellt und diskutiert. Generell lässt sich sagen, dass eine adäquate Einbeziehung der ArbeitnehmerInnen bzw. ihrer betrieblichen Vertretung bei der Gestaltung des Produktions- und Arbeitsprozesses im Zuge der Digitalisierung von allen ReferentInnen als sehr wesentlich betrachtet wurde.
Im ersten Teil der Session („Informationen aus erster Hand: Praktiker sprechen über ihre Erfahrungen“) kam zunächst ein Vertreter des Managements zu Wort: Christoph Krammer (Technologie Steuerung, Complete Vehicle Manufacturing bei Magna Steyr Fahrzeugtechnik in Graz) stellte anhand von AR/VR-Anwendungen dar, wie sich bei Magna Steyr die Arbeitswelt durch die Digitalisierung verändert und welche Herausforderungen damit entstehen. Krammer sieht bei der Einführung von neuen Technologien die technische Lösung nur als Teilstrategie zur Erreichung der Produktivitätsziele, mindestens gleich wichtig ist es die Mitarbeiter im Wandel der Digitalisierung entsprechend zu begleiten, denn nur wenn die Mitarbeiter eine Lösung auch gerne anwenden und man es schafft, neue Technologien begreifbar zu machen, führt dies nachhaltig zum Erfolg.
Ernst Daberto (Betriebsratsvorsitzender Arbeiter bei Swarovski in Wattens) gibt zu bedenken, dass viele Unternehmen im Zuge der Digitalisierung den Fokus einzig und alleine auf die Technologie legen. Es bedarf jedoch einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie: Bindet man die MitarbeiterInnen und Betriebsräte rechtzeitig in den Prozess der Umwandlung ein, erspart man sich viel Mühe, Ärger und Kosten. Auch muss wieder mehr in die Aus- und Weiterbildung der bestehenden MitarbeiterInnen investiert werden. Es ist effizienter und kostengünstiger die bestehenden MitarbeiterInnen weiterzuentwickeln, als passende Fachkräfte am Arbeitsmarkt zu suchen.
Auch der Geschäftsführer der Fill Gesellschaft m.b.H. in Gurten, Wolfgang Rathner, stellte den Menschen in den Mittelpunkt. Rathner beschrieb die neue digitale Arbeitswelt (diese informiert und vernetzt, unabhängig von Zeit und Ort, sorgt für Transparenz und Orientierung, fördert Innovation und sichert Wissen, spart Kosten und Zeit, usw.) und was dies letztlich für ein Unternehmen bedeutet. Dieses muss sich beispielsweise um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden kümmern und auch Professionalität und Perspektiven zur persönlichen Weiterentwicklung bieten.
Patrik Tirof (Betriebsratsvorsitzender Arbeiter bei Innio Jenbacher in Jenbach und Landesvorsitzender der PRO-GE Tirol) hob hervor, dass die Implementierung moderner Softwarelösungen zur Fertigungsoptimierung und Prozesssteuerung mannigfaltige Möglichkeiten zur Leistungsmessung bieten, welche nicht nur die Menschenwürde verletzen, sondern auch hinsichtlich des ARBVG und der DSVGO rechtlich unzulässig sind. Tirof ging auf Lösungen ein, die in seinem Unternehmen durch den Betriebsrat, die Geschäftsführung und IT gemeinsam erarbeitet werden und sowohl rechtlich korrekt sind, als auch die notwendige Transparenz und das Vertrauen gegenüber den Beschäftigten herstellen. Als Beispiel dazu nannte er die Live Schaltung von Anwendungen für einen lebenden Work Flow.
In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem auf die Akzeptanz durch die Mitarbeiter eingegangen. Die Führungskräfte müssen entsprechend geschult werde, denn sie sollen die MA als Coaches unterstützen und keine Befehle ausgeben (Führung 4.0). Die Akzeptanz ist jedenfalls höher, wenn der Betriebsrat mit involviert ist. Im sozialen Bereich ist jedenfalls ein Wandel zu beobachten: der digitale Wandel bedeutet nicht nur technische Transformation, sondern auch eine soziale.
Im zweiten Teil der Session („Der aktuelle wissenschaftliche Diskurs“) ging Hilda Tellioglu (Professorin am Institute of Visual Computing & Human-Centered Technology und Studiendekanin für Informatik an der TU Wien) auf „Change Management“ als wichtigen und nützlichen Ansatz im Digitalisierungsprozess eines Unternehmens ein und veranschaulichte dies in Form von Best Practice Beispielen. Auch für sie ist die Inklusion der Beschäftigten von großer Bedeutung: Sie plädiert für eine aktive Involvierung betroffener MitarbeiterInnen und ihrer VertreterInnen nicht nur während der Umsetzung, sondern auch in der Planungsphase.
Für Jörg Flecker (Professor am Institut für Soziologie, Universität Wien) sind es nicht die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und die technischen Entwicklungen, die den Prozess vorantreiben. Vielmehr bestimmen verschiedenste Akteure, die Entscheidungen treffen können, darüber, in welche Richtung die technische Entwicklung voranschreitet und wie neue technische Möglichkeiten genutzt werden. Die Gestaltung des Produktions- und Arbeitsprozesses ist im Zuge der Digitalisierung entscheidend. Flecker tritt für einen humanzentrierten, anstelle einem technikzentrierten Ansatz ein. Mitbestimmung und Partizipation erleichtern dabei Ziele, wie die Humanisierung der Arbeit, zu erreichen.
In der anschließenden Diskussion wurde betont, dass sowohl die Kooperation zwischen Unternehmen, als auch zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat immer wichtiger wird. Wichtig ist auch offen zu diskutieren und keine Angst zu haben. Die Plattform I4.0 bemüht sich die Angst zu nehmen.