Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien in der Produktion, egal ob bei Robotern, cyber-physischen Systemen oder in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz (KI), wäre ohne einen spezifischen Industriezweig wohl nicht denkbar: Die Halbleiterindustrie schafft digitale Innovationen und prägt die globale Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
„Neuigkeiten aus dem Bereich der Hableiterindustrie“ war daher der Titel des 7. Technology Insights der Plattform Industrie 4.0. Für den Blick hinter die Kulissen wurden zwei Experten des globalen Halbleiterherstellers Infineon Technologies als Vortragende eingeladen: DI Stefan Rohringer, stellvertretender Vorstand Technik bei Infineon Österreich und Leiter des Entwicklungszentrums in Graz und Thomas Altenmüller, Vice President Manufacturing Analytics im Bereich Operations Frontend aus der globalen Organisation.
Hardwarebasierte Sicherheit und „Post Quantum Cryptography“
Der Schutz von Assets ist zentral für produzierende Unternehmen, Security ist nicht erst seit Ripple20 ein wichtiges Thema. In seinem Input ging Hr. Rohringer daher auf die Entwicklungen der Halbleiter am Beispiel Security ein.
Industrielle KI-Lösungen verbinden heute die Cloud mit Edge Devices, konstante Kommunikation und permanenter Datenaustausch beschäftigen Software und Hardware. Bösartige Akteure können z.B. Daten verfälschen (Data Poisoning) oder ein KI-System via Malware über die eingesetzten Algorithmen angreifen. Verschlüsselung ist beim Einsatz von IIOT daher immer mitzudenken. Warum die Halbleiterindustrie hier eine Rolle spielt? Security läuft häufig über die eingesetzten Chips, die sich im Optimalfall selbst gegen Angreifer wehren. Hardwarebasierte Sicherheit bietet den großen Vorteil, dass die eingesetzten Systeme wesentlich schwerer angreifbar sind als softwarebasierte Lösungen.
Sicherheit muss sowohl kurz- als auch langfristig gedacht werden. Maschinen in einer Fabrik werden langsam ausgetauscht, die Infrastruktur, die heute angeschafft wird, ist bis 2040 im Einsatz. Das bedeutet auch: Die Sicherheitsmaßnahmen, die heute eingearbeitet werden, sollten 2040 noch Bestand haben – in einem Jahr, in dem wahrscheinlich schon Quantencomputer existieren. „Post Quantum Cryptography“ ist daher bei Infineon ein relevantes Thema, das Hr. Rohringer anschließend aufgriff. Bereits heute existieren Lösungen, wie Kryptografie aufgebaut werden kann, um auch im Zeitalter der Quantencomputer bestehen zu können.
„Retrofitting“-Use Case Infineon Technologies Dresden
„Komplex“ ist ein Begriff, welcher im Zusammenhang mit der Herstellung von Chips, Transistoren und Wafern durchaus verwendet werden kann. Während sie anderen Sektoren Effizienzsteigerungen ermöglicht ist die Halbleiterindustrie selbst häufig Vorreiter bei der Anwendung neuer Technologien (Stichwort: Mooresches Gesetz). Neue Technologien treffen in der Praxis aber meistens auf bereits existierende Produktionsstandorte. Auch bei Infineon stand daher die Frage im Raum: Wie kann man „Brownfield“-Fabriken optimal mit Automatisierung verknüpfen?
Am Beispiel des Standorts Dresden ging Hr. Altenmüller auf einen hauseigenen Use Case im praktischen Umgang mit „Legacy Production Sites“ ein. In der 1994 errichteten Anlage wurde von manueller auf automatisierte Produktion umgestellt, das Werk ist heute eine der am höchsten automatisierten Fabriken bei Infineon. Hr. Altenmüller erklärte in seinem Input im Detail, wie das erreicht werden konnte. Eine Erkenntnis in dem Zusammenhang: „Industrie 4.0 ist zum Großteil Change-Management und nur ein kleiner Teil ist Zauberei mit IT-Systemen“. Neben nicht-technologischen Aspekten spielt auch der Einsatz moderner Technologien (z.B. von Deep Neural Networks, basierend auf der Arbeit von Sepp Hochreiter) eine wichtige Rolle.
Das Big Picture: Europa und Österreich
Die Hableiterindustrie gilt auf EU-Ebene als Schlüsselindustrie für die europäische Souveränität. Unterschiedliche politische Instrumente und Bausteine, nicht zuletzt untermauern die Important Projects of Common European Interest (IPCEIs) die wirtschaftliche und politische Bedeutung der Branche.
Auch in Österreich werden wichtige Schritte gesetzt: Infineon investiert 1,6 Mrd. Euro in den Standort Villach, Ende 2021 startet die vollautomatisierte Produktion der 300mm-Dünnwafer. Die Teilnahme am IPCEI Mikroelektronik II wird in Österreich momentan geprüft und im Rahmen der Plattform ECSEL Austria beschäftigt man sich ebenfalls mit den „Key Digital Technologies“ und mit deren Bedeutung für die österreichische Industrie –diese Perspektive wurde beim Technology Insight ebenfalls behandelt, denn gesehen von seiner Rolle als Leiter der ExpertInnengruppe Forschung, Entwicklung und Innovation bei der Plattform Industrie 4.0 ist Hr. Rohringer auch Präsident von ECSEL Austria.
Technology Insights der Plattform Industrie 4.0
Die Technology Insights der Plattform Industrie 4.0 beleuchten aktuelle und spezifische Entwicklungen zu Zukunftstechnologien, die für den produzierenden Bereich relevant sind. Sie sind ein Format der ExpertInnengruppe Neue Geschäftsmodelle und sind für alle Mitglieder der Plattform Industrie 4.0 zugänglich. Sollte Ihr Unternehmen Mitglied, aber nicht auf dem Verteiler der ExpertInnengruppe Neue Geschäftsmodelle sein, melden Sie sich gerne bei michael.fellner@plattformindustrie40.at.
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Foto von Laura Ockel auf Unsplash