Als europaweite Initiative erregt Gaia-X viel Aufmerksamkeit. Die Struktur von Gaia-X, dessen Aspekte und damit verbundene Teilprojekte stellen für Interessierte jedoch oft eine Herausforderung dar. Mit dem Format „Inside Gaia-X“ helfen die Plattform Industrie 4.0 und der Gaia-X Hub Austria österreichischen Unternehmen und Organisationen dabei, einen Überblick zu erhalten bzw. diesen zu bewahren. Die Nachberichte dazu finden sich hier bzw. hier.
Beim 3. Inside Gaia-X-Event standen die „Gaia-X Federation Services“ (GXFS) im Fokus. Um zu vermitteln, worum es sich dabei handelt und wie man die GXFS verwenden kann, waren Andreas Weiss und Vivien Witt vom deutschen eco Verband der Internetwirtschaft zu Gast in Wien und im virtuellen Raum.
GXF… wie bitte?
Gaia-X ist eine europäische Idee, die 2019 von Deutschland und Frankreich aus initiiert wurde. Zentral für Gaia-X ist dessen technische Architektur. An dieser wird in der Gaia-X AISBL konstant gearbeitet, im April 2022 wurde die bisher sechste und derzeit aktuelle Version der Architektur veröffentlicht. Die Gaia-X-Architektur beschreibt auch die „Gaia-X Federation Services“, abgekürzt: GXFS.
Bei den GXFS handelt es sich um gemeinsam definierte Software-Bausteine, die für eine dem Gaia-X-Gedanken entsprechende Zusammenarbeit benötigt werden. Die GXFS sollen in einem ersten Schritt vier Funktionalitäten sicherstellen, die in Summe den Gaia-X-konformen Datenaustausch ermöglichen sollen:
- Identity & Trust: Die GXFS sollen die Identität kooperierender Organisationen und Unternehmen sicherstellen.
- Federated Catalogue: Mit den GXFS sollen die Angebote von Kooperationspartnern (innerhalb einer „Föderation“, siehe unten) auffindbar und interoperabel gemacht werden.
- Sovereign Data Exchange: Die Kontrolle über den Datenaustausch und die Umsetzung von Regeln bei einer Kooperation sollen über die GXFS sichergestellt werden.
- Compliance: Die GXFS sollen die Zugriffe und Rechte beim Datenaustausch sowie die Einhaltung gemeinschaftlich vereinbarter Regeln und regulatorischer Anforderungen sicherstellen.
Die Arbeitsgruppen der Gaia-X AISBL definieren die grundlegenden Spezifikationen und die Regeln der Zusammenarbeit in föderierten Ökosystemen. Somit beeinflusst die AISBL die Funktionalitäten und Anforderungen, die die einzelnen Software-Bausteine einhalten müssen.
Software-Entwicklung im Kontext von Gaia-X
Für die Entwicklung von Software werden finanzielle und personelle Ressourcen benötigt. Teilweise werden die GXFS in der Gaia-X AISBL direkt entwickelt (z.B. Compliance). Ein anderer Teil der GXFS wird seit 2020 durch Förderungen in Deutschland und Frankreich entwickelt.
In Deutschland (GXFS-DE) hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) den Verband eco damit beauftragt, die Entwicklung von Spezifikationen und Open-Source-Code zu koordinieren. Im Rahmen dieser Beauftragung wurde ein Basisangebot an Software-Bausteinen entwickelt, die zur Inbetriebnahme einer Gaia-X Föderation (i.e. zum Gaia-X-konformen Datenaustausch) benötigt werden.
Aktueller Stand der Entwicklung der GXFS-DE
Seit Jänner 2021 entwickeln die verschiedenen Projektpartner die benötigten Software-Bausteine. Der aktuelle Stand der Entwicklung ist über die Plattform GitLab abrufbar. Die bereits entwickelten GXFS-Software-Bausteine können Unternehmen und Organisationen nun nutzen, um einen Gaia-X-konformen Datenaustausch zu pilotieren. Eine Beschreibung der verfügbaren Software-Bausteine findet sich in der „GXFS-Werkzeugkiste“.
Unter anderem wurden folgende Software-Bausteine im Rahmen des deutschen GXFS-Projekts entwickelt:
- ein Authentifizierungs- & Autorisierungsdienst: dieser Dienst ermöglicht die Anforderung von Beglaubigungen und Identitätsattributen sowie die Kontrolle über die Datenfreigabe innerhalb einer kooperierenden Gruppe von Organisationen („Föderation“)
- ein Beglaubigungsmanager für Personen und für Organisationen: diese „Wallet“ für Individuen bzw. Unternehmen in einer Föderation ermöglicht die Hinterlegung und das Management von Berechtigungen und deren Ausstellern.
- Tools für die Erstellung, Visualisierung und Validierung der Selbstbeschreibungen von Services: diese können über einen „föderierten Katalog“ gesucht, ausgewählt und beobachtet werden.
- Dienste für den Austausch von Daten: zur Einholung der Zustimmung zum jeweiligen Datenaustausch sowie für den Vertragsabschluss, und zur Protokollierung der Datennutzung und -übermittlung
- Tools für die Einhaltung von Regeln innerhalb einer Föderation: dazu zählen die Validierung und Dokumentation der Aufnahme und Akkreditierung von Teilnehmenden, Ressourcen und Diensten sowie die kontinuierliche automatische Überwachung (ENISA EUCS Cloud Services Scheme, Prüflevel “High”) und ein Notarisierungsdienst
Auch österreichische Unternehmen können die bisher entwickelte Software für den Aufbau einer Gaia-X-Föderation nutzen. Die beschriebenen Software-Bausteine können dafür via Kubernetes bei unterschiedlichen Anbietern von Cloud-Computing implementiert werden. Hervorzuheben sind dabei das Portal bzw. der Orchestrierungsdienst. Diese werden bereitgestellt, um Teilnehmer/-innen einer Föderation mit Hilfe eines Web-Clients einen benutzerfreundlichen Zugang zu den potenziellen Software-Angeboten innerhalb einer Föderation zu ermöglichen.
Weitere Entwicklung und Zukunft
Die Entwicklung der GXFS-Software-Bausteine ist noch nicht abgeschlossen. Gitlab ermöglicht es Interessierten, informiert zu bleiben und selbst bei der Entwicklung mitzuarbeiten. In weiterer Folge ist die Übergabe des Codes in die Eclipse Foundation geplant. Zusätzlich bieten der Verband eco und dessen Projektpartner unterschiedliche Möglichkeiten an, um zum Projektfortschritt informiert zu bleiben: die GXFS-Website, der GXFS-Blog oder der GXFS-Newsletter helfen dabei.
Der Gaia-X-YouTube-Channel vermittelt weiterführende Informationen. Insbesondere die „Deep Dives“ ermöglichen sehr ausführliche Einblicke in die GXFS-Arbeitspakete:
Einen generellen Überblick über die verschiedenen Bestandteile des gesamten Gaia-X-Projekts bietet seit kurzem auch das „Gaia-X Framework“. In diesem werden alle relevanten Dokumente und deren Beziehung zueinander dargestellt. Auch die GXFS-Werkzeugkiste wird darin abgebildet. Über das Gaia-X Framework lässt sich außerdem abrufen, wann einzelne Bestandteile des Projekts veröffentlicht wurden oder welche Arbeitsgruppen dabei involviert waren bzw. sind.
Danke und Ausblick
Wir bedanken uns bei Andreas Weiss und Vivien Witt für die Einblicke!
Die Plattform Industrie 4.0 arbeitet laufend an weiteren Aktivitäten und Veranstaltungen zu Gaia-X. Wenn Sie dazu informiert bleiben möchten, melden Sie sich gerne bei michael.faelbl@plattformindustrie40.at.